Depressionen bleiben bei Männern oft unentdeckt und damit unbehandelt

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Ursache ist vielfach ein tradiertes Rollenbild, das sich allerdings wandelt

Als sich der Fußballprofi und deutsche Nationaltorwart Robert Enke 2009 wegen Depressionen das Leben nahm, rückte nicht nur ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, dass Spitzensportler von dieser „Volkskrankheit“ ebenfalls heimgesucht werden können, sondern auch, dass sie bei Männern häufiger unentdeckt bleibt als bei Frauen. Und somit unbehandelt! Inzwischen sprechen im Fernsehen zwar Künstler wie etwa der Comedian und Kabarettist Torsten Sträter und andere bekannte Personen recht offen über ihre Depressionen. Aber ist damit dem Tabuthema „Männer mit Depressionen“ die Brisanz genommen?

Nicht wirklich, meinen Fachleute. Denn Männer leiden häufig an dem überlieferten Rollenklischee vom starken Kerl, den nichts so leicht umhaut. Schon gar nicht psychische Probleme. Zwar befindet sich die traditionelle Vorstellung von Männlichkeit im Wandel. Doch die Antworten, die Herbert Grönemeyer in seinem bekannten Lied auf die Frage danach gibt, wann denn nun Mann ein Mann ist, haben immer noch ihre Berechtigung: Männer haben‘s schwer, nehmen‘s leicht. 

Nur dass Letzteres eben nicht stimmt. Vielmehr empfinden immer mehr Männer das Rollenbild des harten Dulders, der tut, was ein Mann nun mal tun muss, und seine Probleme mit sich selbst ausmacht, als Bürde und Druck. Nur reden mögen viele darüber nicht. Die Kommunikationsunfähigkeit des „wortkargen Einzelgängers“ fördert jedoch psychische Konflikte, die immer häufiger in eine Depression münden. Und die wird auch immer häufiger als solche bei Männern diagnostiziert.

Toxische Männlichkeit?

Zwar leiden in Deutschland erheblich mehr Frauen an einer Depression als Männer, aber die Suizidrate bei Männern ist Statistiken zufolge deutlich höher. Und am häufigsten erfolgen Suizide nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression. Konkret leiden nach Angaben der Depressionshilfe hierzulande rund 5,3 Millionen Erwachsene an einer behandlungsbedürftigen Depression. Im Detail verraten die Statistiken, dass in Deutschland etwa doppelt so viele Frauen an einer Depression erkranken wie Männer. Doch die Suizidrate ist demnach bei Männern bis zu dreimal so hoch wie bei Frauen. Ist diese Statistik also auch Ausdruck toxischer Männlichkeit?

Dieser Begriff umfasst Verhaltensmuster, die traditionell als typische Attribute des „starken Geschlechts“ und von „echter“ Männlichkeit gelten, sich letztlich jedoch schädlich für die Betroffenen, aber auch für andere auswirken. Dazu zählen unter anderem Dominanz, Kontrolle, Aggressivität und eine höhere Gewaltbereitschaft, aber nicht zuletzt auch emotionale „Coolness“ und die Unfähigkeit, zum Beispiel Minderwertigkeitsgefühle, Misserfolgserlebnisse, Versagensängste oder eben Depressionen zu verbalisieren. Diese „Kommunikationsschwäche“ hat oft zur Folge, dass Depressionen bei Männern nicht erkannt werden und infolge dessen unbehandelt bleiben.

Zudem äußern sich Depressionen bei Männern häufig auch anders als bei Frauen, was diese Erkrankung ebenfalls schwieriger erkennbar macht. Darüber hinaus fehlen Fachleuten zufolge Forschungserkenntnisse zu den Diagnosekriterien von Depressionen bei Männern. Während Frauen ihre bedrückenden Empfindungen leichter realisieren und auch äußern können, weshalb eine Depression bei ihnen schneller erkannt wird, neigen Männer eher zum Verdrängen ihrer „herunterziehenden“ Emotionen oder versuchen, sie beispielsweise durch übersteigerten Leistungswillen und exzessiven Sport zu kompensieren. Zudem äußert sich eine Depression bei Männern häufiger in Form von Aggressivität, Gereiztheit und Suchtverhalten, derweil bei Frauen ein allgemeiner Verlust an Freude und Antriebslosigkeit überwiegen. Gemeinsam sind beiden Geschlechtern bei Depressionen dagegen Empfindungen wie Wertlosigkeit und Schuldgefühle. Grundsätzlich gibt es nämlich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei den Kernsymptomen von Depressionen, wie Experten betonen.

Angst vor Diskriminierung

Nur, dass Männer über ihre Sorgen und seelischen Probleme meist nicht sprechen, auch nicht mit den „best buddies“. Auch suchen sie sich in der Regel erst sehr spät kompetente Hilfe. Dieses Verhalten ist vielfach der Angst geschuldet, im jeweiligen sozialen Umfeld wegen der Erkrankung diskriminiert zu werden. So bekommen Männer vielfach erst die notwendige Behandlung, wenn ihre Symptome so ausgeprägt sind, dass sie sich nicht mehr kaschieren lassen – wenn sie als körperlich krank gelten, etwa durch hohe Belastung im Beruf. Denn das gilt als akzeptabel.

Deshalb kann das „starke Geschlecht“ nur davon profitieren, wenn Prominente das Thema Depression bei Männern gesellschaftsfähig machen. Gleichzeitig wandelt sich aber auch das Rollenbild vom „lonesome cowboy“. Männer „dürfen“ inzwischen ihren emotionalen Panzer öffnen und auch Schwäche zeigen und eingestehen. Wenn dieser Wandel im männlichen Rollenbild dazu führt, dass Depressionen dadurch künftig früher erkannt und behandelt werden können, dürfte damit vielen Männern geholfen sein. Denn die medizinischen und therapeutischen Möglichkeiten zur erfolgreichen Behandlung einer Depression entwickeln sich immer weiter: angefangen von fortschrittlichen Medikamenten über Verfahren, die eine wirksamere und gezieltere Medikation ermöglichen, bis hin zu innovativen Methoden, Depressionen per Bluttests zu erkennen. Und die spezialisierten Unternehmen, die Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Depression zur Marktreife führen, arbeiten mit Hochdruck an weiteren innovativen Verfahren, um diese neue „Volkskrankheit“ bei allen Geschlechtern noch besser in den Griff zu bekommen.

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