Den Schatten auf der Seele auf der Spur

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Mit Biomarkern Depressionen per Bluttest diagnostizieren

Depressionen sind weltweit inzwischen so verbreitet, dass sie sich den zweifelhaften Ruf einer „Volkskrankheit“ erworben haben. Doch diese ernste Erkrankung, die bei den Betroffenen erhebliches Leiden verursacht, ist häufig schwierig zu diagnostizieren. Abhilfe könnte hier der Nachweis über einen Bluttest schaffen. Doch davon ist die Forschung bislang noch ein Stück weit entfernt. Wissenschaftlern ist es jetzt allerdings gelungen, Biomarker für Depressionen zu finden. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sollen dazu beitragen, die biologischen Grundlagen von Depressionen besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.

Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden weltweit rund 350 Millionen Menschen an einer Depression. Gemäß dem internationalen Indikator YLD (Years Lost due to Disability), der den Verlust von gesunden Lebensjahren durch gesundheitliche Einschränkungen beschreibt, ist die Depression die wichtigste Krankheitsursache überhaupt, wie das Bundesforschungsministerium berichtet. Demnach ist die Depression von allen schweren Erkrankungen des Gehirns eine der häufigsten. Doch bislang werde nur jeder vierte Betroffene adäquat behandelt, stellt die WHO fest.

Zu den klassischen Symptomen, anhand derer eine Depression meist diagnostiziert wird, zählen gedrückte Stimmung, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und ein Verlust der Fähigkeit, Gefühle zu erleben. Allerdings kann sich eine Depression auch in Form etlicher körperlicher Symptome äußern, wie etwa Magen-Darm-Problemen, Herzbeschwerden oder Rückenschmerzen. Auch einige unspezifische gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Reizbarkeit oder ausgeprägte Unruhe, können auf eine Depression hindeuten. Bei einigen Patienten können sogar die körperlichen Symptome deutlich überwiegen. 

Symptome nicht immer eindeutig

Diese Umstände machen deutlich, wie schwierig es sein kann, eine Depression als Ursache der „Unpässlichkeiten“ zu erkennen. Auch bei einem Burnout-Syndrom aufgrund von Überlastung im beruflichen oder privaten Umfeld lassen sich einige Symptome nur schwer von jenen einer Depression abgrenzen. Aus diesen und anderen Gründen bleiben immer noch viel zu viele Depressions-Patienten unbehandelt – mit negativen Folgen für ihren eigenen Krankheitsverlauf, aber vielfach auch ihr persönliches Umfeld. Denn Depressionen wirken sich häufig ebenfalls belastend auf Familie und Freunde eines Erkrankten aus.

Angesichts der Dringlichkeit präziser Diagnostik in diesem Bereich verwundert es nicht, dass Wissenschaftler weltweit an neuen Verfahren und Methoden zur Erkennung bzw. Behandlung der „Volkskrankheit“ Depression forschen. Von einem vielversprechenden Fortschritt in dieser Hinsicht berichten jetzt US-amerikanische Forscher, die ein Bluttestverfahren entwickelten, mit dem psychische Symptome messbar werden sollen. Dabei fokussieren sich die Wissenschaftler auf ein in den Blutplättchen der Patienten enthaltenes Protein namens Gs alpha. Dieses Eiweiß lässt insofern Rückschlüsse auf eine Depression zu, als bei Patienten mit einer solchen Erkrankung die Beweglichkeit des Proteins abnimmt. Von der Messung dieser Agilität lässt sich demnach auf eine Depression rückschließen. Die Wissenschaftler konnten zudem erstmals zeigen, dass sich bei einer erfolgreichen Medikation mit einem Antidepressivum die Beweglichkeit des Proteins wieder erhöht. Die Agilität von Gs alpha kann somit ebenfalls als Indikator für die Wirksamkeit eines Medikaments dienen.

Forscher an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) wiederum entdeckten sogenannte Biomarker für Depressionen. Diese Indikatoren vermitteln, vereinfacht formuliert, Medizinern Informationen darüber, ob im Körper alles richtig läuft oder ob es Hinweise auf Krankheiten gibt. Zu Biomarkern zählen beispielsweise körperliche Eigenschaften wie Blutdruck, Körpertemperatur, der Blutzucker- oder der Cholesterinwert, aber auch Merkmale oder Veränderungen im Erbgut sowie Botenstoffe (Hormone) oder Eiweiße, die man im Blut oder im Urin messen kann. Die Kieler Wissenschaftler konzentrierten sich bei ihrer Arbeit auf sogenannte Metaboliten, das sind Produkte von Stoffwechselreaktionen. Die Gesamtheit aller Metaboliten, das Metabolom, reagiere sehr empfindlich auf Krankheiten, erläutert die Professorin für Klinische Metabolomics an der Medizinischen Fakultät der CAU, Helena Zacharias. Insofern stelle das Metabolom eine Art „Fingerabdruck“ des körperlichen Zustands dar und biete neue Einblicke in Krankheitsmechanismen oder den weiteren Krankheitsverlauf, verdeutlicht Zacharias.

Metabolischer „Fingerabdruck“ bei Depression

Beim Vergleich des Blutmetaboloms von Personen mit und ohne Depressionen stellten die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler einen deutlich niedrigeren Spiegel des Metaboliten Laurylcarnitin bei Menschen mit Depression im Vergleich zu Gesunden fest. Dieses neue Forschungsergebnis wurde anschließend in einer unabhängigen allgemeinen Bevölkerungsstichprobe bestätigt. Demnach kann ein erniedrigter Laurylcarnitinspiegel im Blut auf eine Depression hinweisen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Kieler Forscher könnte auch ein diagnostischer Marker für Depressionen entwickelt werden.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie können nach Einschätzung von Fachleuten wesentlich dazu beitragen, die biologischen Grundlagen von Depressionen besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Zwar ist noch nicht ganz klar, welche Rolle Laurylcarnitin bei Depressionen spielt, ob die niedrigen Blutkonzentrationen des Metaboliten Folge oder Ursache einer Depression sind. Doch zukünftige Studien könnten hier ansetzen und die kausalen Zusammenhänge zwischen Depression und Laurylcarnitin untersuchen, um zu prüfen, ob Laurylcarnitin ein Ziel für neue Therapien sein könnte, ist die Kieler Molekularbiologin Prof. Zacharias überzeugt.

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